BDCREE

Complaints Board of the European Schools

Decision Number: 19/62


Decision Date: 17.04.2020


Keywords

  • seconded staff
  • differential allowance

Full Text


Abstract

II. Würdigung der Beschwerdekammer
Die zulässige Klage der Klägerin ist unbegründet. Die endgültige Berechnung der Ausgleichszulage für das Jahr 2015 ist fehlerfrei erfolgt.
1. Auf der Grundlage des Art. 49 Abs. 2 Buchstabe c) Statut ist der Bescheid der Beklagten, mit dem die Ausgleichszulage für das Jahr 2015 endgültig berechnet, festgesetzt und der Betrag von 3.376,73 EURO zurückgefordert wurde, rechtmäßig. Die Klägerin ist zur Erstattung dieses Differenzbetrags rechtlich verpflichtet. Einer Neuberechnung der Ausgleichszulage für das Jahr 2015 bedarf es nicht.
1.1. Im Rahmen des Abschnitts 1 – Grundgehalt – regelt Art. 49 Absatz 2 Statut folgendes:
(...)

1.2. Unter den Voraussetzungen des Art. 49 Abs. 2 Buchstabe c) Statut besteht ein Anspruch des Personalmitglieds auf Zahlung einer „Ausgleichszulage“. Nach Unterabsatz 2) der Bestimmung erfolgt erst dann eine „endgültige Berechnung“, wenn der Steuerbescheid der zuständigen nationalen Steuerbehörde vorliegt. Aus der Formulierung des Statuts ergibt sich schon hiernach mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Zahlung der „Ausgleichzulage“ zunächst nur vorläufig erfolgt und sie erst endgültig verbindlich ist, wenn der nationale Steuerbescheid vorliegt und die Nachberechnung („endgültige Berechnung“) auf dieser konkretisierten Basis erfolgt ist.

1.3. Die ES konnten zu Recht bei der endgültigen Berechnung der Ausgleichszulage für das Jahr 2015 zunächst das nationale Gehalt der Klägerin und den darauf zu beziehenden Steuersatz in Ansatz bringen. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer (Entscheidung vom 9. Juni 2000 – 99/16 ; vom 31. Januar 2019 – 18/53).

1.3.1. Die Regelung in Art. 49 Absatz 2 Buchstabe c) Statut ist eindeutig. Ausgangspunkt für die Berechnung der Ausgleichszulage ist das nationale Gehalt und zwar ohne Berücksichtigung anderer Einkünfte (Unterabsatz 2) der Bestimmung). Auf das nationale Gehalt ist sodann die nationale (Einkommens-)Steuer zu beziehen. Dabei ist von den Feststellungen der nationalen Steuerbehörden, wie sie sich in dem Steuerbescheid konkretisiert haben, auszugehen (vgl. Entscheidung der Beschwerdekammer vom 9. Juni 2000, Nr. 99/16; vom 31. Januar 2019 - 18/53). Die Regelung in Unterabsatz 2) bestimmt weiter, dass mögliche steuerliche Vorteile, die den nationalen Steuerbetrag reduzieren, bei der Berechnung der Ausgleichszulage – ggf. „negativ“ - zu berücksichtigen sind. D.h., maßgeblich für die Berechnung der Ausgleichszulage ist der auf das Gehalt bezogene (nationale) Steuersatz, aber unter Berücksichtigung der ihn reduzierenden und in Abzug zu bringenden (national gewährten) Steuervorteile.
Dies entspricht dem Sinn und Zweck der Ausgleichszulage, der nach Art. 49 Abs. 2 Buchstabe c) Unterabs. 1 Statut vor allem darin besteht, für gleiche (Basis-)Lebensverhältnisse von abgeordneten Lehrern – auch im Verhältnis zu den EU-Beamten – unter Berücksichtigung ihrer (unterschiedlichen) nationalen Gehälter zu sorgen und eine gleiche Behandlung aller Lehrkräfte zu gewährleisten (vgl. Entscheidung der Beschwerdekammer vom 9. Juni 2000, Nr. 99/16). Soweit dabei unterschiedliche Steuersätze bezogen auf die „Ausgangsgehälter“ in den einzelnen nationalen Rechtsordnungen eine Rolle spielen, sind diese im Rahmen der Ausgleichszulage zu berücksichtigen, um eine entsprechende Angleichung der (Netto-)Gehälter und ein gleichmäßiges (Netto-)Gehaltsniveau zu erreichen. Ist danach der Betrag der Steuerabgaben auf das nationale Gehalt geringer oder insbesondere höher als der Steuersatz der sich für die EU-Beamten ergeben würde, erfolgt eine - positive oder negative - Anpassung, um eine Gleichheit der Gehälter unter den Personalmitgliedern der verschiedenen Herkunftsländer zu ermöglichen. Dh., die Ausgleichszulage soll die Differenz kompensieren, die zwischen der Höhe der auf das nationale Gehalt des Personalmitglieds in seinem Herkunftsland erhobenen Steuerbeträge – aber eben nur für dieses nationale Gehalt und nicht bezogen auf andere Einkünfte und dem entsprechenden Steuersatz – und der Höhe der Steuer, die auf eine europäische Gesamtvergütung (= nationale Vergütung plus europäischer Zulage) erhoben würde, wenn für sie die Steuersätze der Europäischen Union angewendet würden. Diese Aspekte sind bei der Berechnung der Ausgleichszulage, die die Angleichung der Lebensverhältnis europaweit aus steuerrechtlicher Perspektive in den Blick nimmt, zu berücksichtigen. Dass die autonomen Regelungen des Statuts deshalb nur auf das nationale Gehalt und den darauf beziehbaren Steuersatz im Ansatz abstellen und besondere nationale steuerliche Vorteile berücksichtigen, erscheint konsequent. Deshalb scheidet es nach den Regelungen des Statuts sowohl aus, nur den nationalen Steuersatz aus dem aktuellen Steuerbescheid „eins zu eins“ zu übernehmen, als auch nationale Steuervorteile außen vor zu lassen.

1.3.2. An diese rechtlichen Vorgaben aus dem autonom gesetzten Statut haben sich die ES bei der Berechnung gehalten. Die Klägerin zeigt keinen relevanten Berechnungsfehler auf.
1.3.2.1. Der Einwand der Klägerin, die ihr gewährten nationalen Steuervorteile seien nicht zu ihren Ungunsten bei der Berechnung der Ausgleichszulage zu berücksichtigen, ist nach dem klaren Wortlaut und der eindeutigen Regelung des Art. 49 Absatz 2 Buchstabe c) Unterabsatz 2 Statut unbeachtlich. Die Berücksichtigungsfähigkeit steuerlicher Vorteile bei der Berechnung der Ausgleichszulage entspricht daher der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammer (Entscheidungen der Beschwerdekammer vom 5. Juni 2003 - 02/07 ; vom 31. Januar 2019 – 18/53). Dies gilt insbesondere auch für die (national) gewährten Steuervorteile für eine doppelte Haushaltsführung und die Zweitwohnsteuer, die regelmäßig zu einer erheblichen Reduzierung der (nationalen) Einkommenssteuer und einer (nationalen) Steuererstattung führen. Dadurch ist die Steuerlast der Klägerin im Vergleich zu einem EU-Beamten oder einer anderen Lehrkraft, deren Entgelt nach einem anderen Steuersystem versteuert wird, eine andere, als ohne Berücksichtigung der gewährten (nationalen) Steuervorteile. Durch die gewährten (nationalen) Steuervorteile und die Steuererstattung standen der Klägerin bereits ein höheres (Netto-)Einkommen für das Jahr 2015 zur Verfügung, so dass es nur noch eines geringeren Ausgleichs bedurfte, um die feststehenden, realen Steuerunterschiede mittels der angepassten Differenzialzulage anzugleichen.
1.3.2.2. Dem weiteren Vorbringen der Klägerin kann nicht entnommen werden, dass bestimmte steuerliche Vorteile von der Beklagten – bezogen auf ihr nationales Gehalt - nicht zu berücksichtigen gewesen oder unzutreffend in Ansatz gebracht worden seien.

1.3.4. Ein möglicher, von der Klägerin nicht näher substanziierter „Steuerschaden“, den die ES ggf. zu tragen hätten, kann es bezüglich der Ausgleichszulage nicht geben. Die im Streit befindliche Ausgleichszulage ist nach nationalem Steuerrecht nicht einkommenssteuerpflichtig. Sollten die nationalen Steuerbehörden diese Zulage – national – besteuert haben, müsste die Klägerin dies gegenüber diesen als fehlerhaft geltend machen.

2. Die Klägerin konnte und durfte schließlich auch nicht darauf vertrauen, dass ihr die für das Jahr 2015 gezahlte Ausgleichszulage in dieser Höhe zustünde. Die ES haben keinen Vertrauenstatbestand geschaffen, aufgrund dessen bei der Klägerin ein berechtigtes Vertrauen entstehen konnte, eine bestimmte Leistung, nämlich eine Ausgleichszulage in Höhe von – mindestens - ca. 950.- EURO, dauerhaft beziehen zu können.

2.1. Zum einen wird die Differenzialzulage nach den klaren Regelungen des Statuts zunächst nur „vorläufig“, dh. unter dem Vorbehalt der endgültigen Berechnung nach Erhalt des nationalen Steuerbescheids für das entsprechende Jahr gezahlt, was der Klägerin bekannt war bzw. bekannt sein musste. Im vorliegenden Rechtsstreit hat sie dies auch eingeräumt. Da die Klägerin ihren nationalen Steuerbescheid für das Jahr 2015 erst nach Ablauf des Steuerjahres und nach dessen Erhalt der Beklagten übermittelt hatte, konnte sie zudem schon deshalb nicht darauf vertrauen, dass ihr die für das Jahr 2015 gezahlte „Ausgleichszulage“ in der gewährten Höhe zustehen würde. Gerade aus dem Umstand, dass sie ihren nationalen Steuerbescheid nach dessen Erhalt den ES zugeleitet hat (zu diesem Umstand: Entscheidung der Beschwerdekammer vom 30. Oktober 2017 - 17/19), wird ihr Wissen um den „vorläufigen“ Charakter der Zulage deutlich. Da sie ihren nationalen Steuerbescheid für das Jahr 2015 erst nach Ablauf des Steuerjahres und nach dessen Erhalt den ES übermittelt hat, konnte sie schon deshalb nicht darauf vertrauen, ihr würde die für das Jahr 2015 vorläufig gezahlte „Ausgleichszulage“ in der gewährten Höhe zustehen. Denn erst mit dem Bescheid der Beklagten vom April 2019 standen die endgültigen Beträge der „Ausgleichszulage“ für das Jahr 2015 und die daraus resultierende Überzahlung fest. Schließlich spricht auch gegen einen „Vertrauenstatbestand“, dass der Klägerin das Statut, aus dessen Regelungen die Vorläufigkeit der Ausgleichszulage deutlich erkennbar ist, spätestens am Beginn ihrer Tätigkeit in Karlsruhe übergeben wurde und auch die Gehaltsnachweise Hinweise auf die Vorläufigkeit der Zahlung enthalten.

2.2. Zum anderen lässt sich ein Vertrauenstatbestand auch nicht aus dem von der Klägerin behaupteten Umstand herleiten, der zuständige Schulinspektor habe sie in der „Anwerbungsphase“ für die ES unzutreffend oder nur lückenhaft informiert.
Zum einen sind die nationalen Schulinspektoren keine Repräsentanten der ES. Von ihnen veranlasste Fehlinformationen oder Unterlassungen müssen sich die ES nicht zurechnen lassen.
Zum anderen bestehen schon nach dem gesamten Vorbringen in diesem Verfahren und auch nach dem Vortrag der Klägerin erhebliche Zweifel, ob sie entsprechend ihrer Behauptung, sie sei vom Schulinspektor mit falschen Informationen über die Ausgleichszahlung zu den ES „gelockt“ worden, überhaupt auf die Höhe der zunächst geleisteten Ausgleichszulage vertrauen konnte, da sich die Information über die Zulage allein auf ihr bisheriges Einkommen und die daran anknüpfende Einkommenssteuer beziehen konnte und ihr zu versteuerndes Einkommen gerade in der Folgezeit aufgrund verschiedener Ursachen – insbesondere auch aufgrund der „doppelten Haushaltsführung“ - sich anders entwickelt hatte als dies nach den zunächst mitgeteilten Steuerrahmendaten der Fall war.

2.3. Auch der weitere Hinweis der Klägerin auf das seit dem 1.September 2019 von den ES geleistete „Ausgleichsgeld“ ist für die Höhe der streitigen Ausgleichszulage für das Jahr 2015 ohne Relevanz.

3. Schließlich kann sich die Klägerin nicht erfolgreich auf einen Wegfall der Bereicherung berufen. Dieser Hinweis ist schon deshalb unbeachtlich, weil die Leistung der Ausgleichszulage für das Jahr 2015 nur „vorläufig“ erfolgte und ein Verbrauch einer vorbehaltlich bzw. vorläufig geleisteten Geldzahlung eine rechtlich relevante „Entreicherung“ nicht begründen kann.